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Viddarna ropar

Der Kungsleden ist die Autobahn unter den schwedischen Wanderwegen. Nicht unbedingt, weil er so gut ausgebaut ist, sondern weil er von sooo vielen bewandert wird. Er startet in Hemavan und geht bis Abisko. Für die gesamte Strecke braucht man – naja, sagen wir mal einen knappen Monat. Man geht ihn am besten, wenn er größtenteils schneefrei und noch (oder wieder) mückenfrei ist.

Da es kein schwedischer Charakterzug ist, Zugereiste zu fragen, ob sie irgendwohin mit wollen, und da ich kein Auto hatte, fühlte ich mich in Arjeplog im Sommer ziemlich eingesperrt. Ich wusste, da draußen wartet das weite Fjäll, und ich sitze hier im steinigen Tiefland fest. Also beschloss ich zu trampen. Und ich hatte erstaunliches Glück. Nicht jeder Tramper kann von sich behaupten, innerhalb von 3 Stunden von Arjeplog bis nach Adolfström im wunderschönen Laisdalen zu gelangen (gut, für die letzten 35 km hatte ich eine wildfremde Frau aus dem Haus geklopft und bezahlt).

In Adolfström gibt es einen Kaufmannsladen, in dem die Zeit stehen geblieben ist. Hier erhält der hungrige Wanderer (die, die von Hemavan ankommen, sind hungrig! Ich war es eher noch nicht, aber mei…) richtig guten Kaffee im Porzellantässchen mit Blumendekor und göttliche Zimtschnecken. Ich hebe das deshalb hervor, weil solche Tassen in Cafés hier eine ausgesprochene Seltenheit sind!

Auf dem Kungsleden trifft man Deutsche, Österreicher, Franzosen, Amerikaner, Tschechen. Schweden eher seltenst. Dafür habe ich ausreichend Zeit, einen Elch zu beobachten. Die Strecke zwischen Adolfström und Jäckvik besteht größtenteils aus Birkenwald. Grün, grün und voller Blumen. Viele Wanderer ziehen ja das kahle Fjäll vor. Vielleicht weil sie nicht wissen, wie sehr man sich über diese saftige, reiche Vielfalt freut.

Dann kommt Wind, oder vielleicht ist er schon da und ich höre ihn erst jetzt. Höre ihn in den Birken rauschen und höre Wellen vom Luvtávrre. Weiße Schaumkronen auf den Wellen. Während meiner Mittagspause überholt mich ein Amerikaner, und auch der Österreicher. Und später, als der Weg wieder durch knorrigen Birkenwald verläuft (ich habe die ganze Zeit ein Lied im Kopf, aber bis zu Papier und Stift kann ich es mir dann leider doch nicht merken), kommt mir ein Mädel entgegen, die von Abisko nach Süden läuft. Ich finde, sie hat erstaunlich wenig Gepäck, weiter nördlich liegt doch noch Schnee!

Für die Pieljekaise-Hütte hatte ich mir in Adolfström einen Schlüssel organisiert. Es kommen noch drei Jungs, Abgänger einer Waldorfschule, die auch dort übernachten. Wenn ich beobachte, wie freundlich sie miteinander umgehen, wird mir wieder einmal klar, wie sehr ich meine Wandergemeinschaften vermisse.

Während die drei aber am nächsten Morgen auf direktem Wege Richtung Kvikkjokk weiterziehen, geht es für mich auf den Bieljegájsse. Wenn ich hier schon nicht viele Berge besteige, so doch diesen hier dafür gleich umso öfter. Habe eine wunderbare Aussicht von hier oben, Ausblick über meine Seelenlandschaft.

Von hier aus fällt mir im Norden wieder der Riebnesgáijsse ins Auge, wie schon einmal im Winter, und ich muss unwillkürlich an den „Eisberg“ aus meinem Roman denken. Irgendwie bestehen da Ähnlichkeiten. Vielleicht sollte ich mir dafür mal richtig Zeit nehmen.

 

 

 

 

 

 

 

Und dann taucht der Weg nördlich des Bieljegájsse wieder in einen Birkenwald ein, zuerst durchsetzt von Wachholder, dann über und über voller Eisenhut, der noch auf etwas mehr Wärme wartet.

Eigentlich erwartet man eine solche grüne Üppigkeit hier gar nicht. Fast ein bißchen Regenwald-Feeling. Es ziehen auch schon Wolken auf.

 

 

 

Und in Jäkkvik angekommen, habe ich dann mit dem Trampen noch einmal Glück. Der Sohn meines Chefs kommt mit seiner Freundin vom Eisessen in Norwegen (!) und freut sich diebisch darüber, seinem Vater am Telefon mitzuteilen, er hätte einen Anhalter mitgenommen …

Als ich zu Hause den Schlüssel in das Schloss stecke, setzt der Regen ein.

 

 

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