Eine Infoveranstaltung für einen Filmstudiengang sowie der Bedarf eines Paars Schuhe und diverser Reitklamotten lassen mich gegen Ende April nach Luleå aufbrechen. Als der Bus durch Älvsbyn fährt, entdecke ich den ersten Ansatz von blühenden Weidenkätzchen. In Luleå liegt kein Schnee mehr. Meine allerersten Schritte führen mich ins Café La Vache, wo ich mir einen Espresso bestelle. Habe schon so lange keinen Barista-Espresso mehr getrunken; der Geschmack ist einfach göttlich.
In der Infoveranstaltung lerne ich die Menschen von FilmpoolNord und der Kalix Folkhögskolan, mit denen ich zuvor schon telefoniert hatte, persönlich kennen. Anschließend statte ich der Galleri Lindberg einen Besuch ab, dort hängen Bilder von Brita Weglin, gestickt auf scheinbar mit Kaffee gefärbten Geschirrtüchern, Figuren aus Mythen, Fischwesen, Frauen, Tüll, Filz und ein wunderbares Augenzwinkern.
http://britaweglin.se/broderier/
Abends mache ich von meiner Unterkunft aus einen kleinen Spaziergang an den Notviken. Die Sonne geht gerade unter und taucht alles in ein herbes Altrosa.
Die Suche nach ein Paar Halbschuhen aus Leder gestaltet sich schwieriger. Wie ich schon in den 90er Jahren festgestellt hatte, wollen Schweden nur ungern auffallen. Die moderne Schwedin trägt ausnahmslos Sneakers in weiß, hellrosa oder notfalls Gold, dazu ausnahmslos schwarze Leggins oder zu kurze schwarze Marlene-Dietrich-Hosen und dazu ausnahmslos eine schwarze knielange Jacke mit bademantelartigem Gürtel. Die Haare sind ausnahmslos lang, meistens als Pferdeschwanz getarnt, das Makeup reichlich, die Augenbrauen mit einer Parabelschablone gezogen. Schwedinnen, die nicht so aussehen, kommen entweder aus dem Inland oder sind irgendwelche Outdoor-Ladies, die ausnahmslos Lundhagswanderhosen tragen und dazu Turnschuhe …
Aber noch hat gar kein Geschäft offen, weswegen ich im Kulturhuset den Tag mit einem raw chocolatecake starte, noch so ein Gedicht. Im Kulturhuset wartet auch die Ausstellung Träd (Baum) auf mich. Hier haben sich Künstler unterschiedlicher Ausprägung mit dem Thema Baum befasst, einige davon haben mich wirklich beeindruckt.
Zum Beispiel Johanna Karlssons Bäume und Wurzeln in Mischtechnik. Hier muss man schon sehr nahe an das Werk herantreten, um zu erkennen, dass es sich nicht um Holz und Stein handelt.
Oder Marie Holmgrens fast 2 Meter große Zeichnungen, die nur aus winzigen Bleistiftpunkten bestehen.
Um 12:00 ist vor dem Stadthaus „Fridays for Future“-Demo. Ich hatte mit einem Haufen Schülern gerechnet, treffe aber auf eine Handvoll Erwachsene. Mit Nathalie, die aus Canada nach Luleå gezogen ist, gehe ich Mittagessen. Wie einfach es ist, Kontakte zu knüpfen, wenn man für eine gemeinsame Sache ist!
Abends schaue ich mir im Kulturzentrum Ebeneser „Dilemmatheater“ an. Hier führen zwei Schauspieler Szenen aus dem Arbeitsleben zum Thema Herrschertechniken vor und lassen uns Zuschauer erst untereinander diskutieren, was wir gesehen haben, und dann, wie wir die Situation auflösen würden. Das wiederum spielen uns die beiden vor, und wir können sehen, ob es funktionieren könnte. Das ist wirklich spannend. Auch die Frauen an meinem Tisch sind spannend. Sofia gibt mir den Tip mit dem „Företagarcafé“, wenn ich mich über Unternehmen in Luleå informieren möchte. Und Linda ist Steuerfrau auf einem Eisbrecher, der im Augenblick noch im Hafen von Luleå liegt, und sie erzählt vom Eisbrecherleben
Am nächsten Morgen stelle ich fest, dass ich mich im Datum geirrt habe. Der Bus, den ich mir rausgesucht hatte, fährt nicht. Es fährt nur einer um 14:00. Herrjeh! Ich sperre mein Shoppinggepäck in ein Schließfach und mache einen Spaziergang um den Skurholmsfjärden. Herrlich, wieder einmal große – wenn auch noch kahle – Laubbäume zu sehen. Und herrlich diese gelben Kätzchen.