NORDSCHEIN

Kontrastprogramm in Jöteborj

Für einen Scripta-Kurs war ich ein paar Tage nach meiner Skitour nach Göteborg gefahren, 13 Stunden einmal quer durchs Land an die Westküste. Ich kam mitten in der Nacht an. Als ich am nächsten Morgen vom „Vandrarhem“ (eine Mischung zwischen Jugendherberge und Hotel) zum Kurs lief, kam ich plötzlich an blühenden Kirschbäumen vorbei. Sowas habe ich seit drei Jahren nicht mehr gesehen! Ich bin später noch einmal, nur wegen dieser Bäume, über den Järntorget gelaufen.

 

Script-Continuity ist eine Person bei einem Dreh, die u.a. genau darauf achtet, dass die Anschlüsse zwischen den Takes passen. Dass der Schauspieler nicht in der Totale eine Tasche in der linken Hand hält, und nach dem Schnitt in der Halbtotalen plötzlich in der rechten. Natürlich macht sie viel mehr als das. Sie ist sozusagen das rechte Auge des Regissörs. Fehler, die Zuschauer trotzdem in Filmen bemerken, liegen häufig nicht an einer verschlafenen Script-Continuity, sondern daran, dass auf ihren Hinweis vielleicht sagen: Das sieht doch eh keiner. Oder: Das machen wir in der Postproduktion wieder weg.

Der Kurs war spannend, aber was mich fast noch mehr beeindruckte, war das gmeinsame Mittagessen vor dem Café in der Sonne, blühende Ahornbäume und die ersten Spitzen von Buchenblättern. Sowas wächst alles in Norrbotten nicht. Sogar eine blühende Magnolie!

Am Abend traf ich Anne Marte Overaa und ihr Kids, eine norwegische Künstlerin, die in Göteborg lebt und die ich bis dato nur über Zoom kannte.

Anschließend schlenderte ich in der Stadt noch durch die Straßen. In einem Restaurant gab es Paartanz. Vor einem Club standen sie Schlange (Ich nehme an, dass sie sich in der Schlange besser unterhalten konnten, als drinnen mit dem Bier in der Hand und dem Musikgewummere im Ohr. Aber darum gehts ja nicht. Ich glaube, ich werde alt, oder bin immer schon alt gewesen…). In manchen Straßen hat man ein bißchen Altona- oder Berlin-Feeling. Nicht ganz so chick wie Stockholm, etwas rauher, etwas weniger gentrifiziert, spannend.

Könnte man nicht Göteborg und Fjäll irgendwie näher zusammenschieben? Warum liegen dazwischen gute 1200 km?

Von meiner Vandrarhems-Zimmergenossin bekam ich den Tip, mit der Fähre des öffentlichen Nahverkehrs doch auf die Schäreninseln zu fahren. Das tat ich nach beendetem Kurs. Mit der Straßenbahn bis Saltholmen und dann mit dem Boot nach Brännö. Dort lief ich  zwischen den bunten Häuschen herum, machte einen Spaziergang durch ein kleines Naturschutzgebiet, aß in Brännö Värdshus zu Abend und wanderte noch bis ans andere Ende der Insel, wo glatt jemand baden ging (und er sah nicht so aus, als hätte er vorher in der Sauna gesessen). Die Fähre zurück ans Festland geht jede Stunde. (In Luleå geht das Tourboot einmal am Tag … an Wochenenden … in der Sommersaison.)

Kurzentschlossen buchte ich meine Rückfahrt auf einen Tag später, denn ich hatte eine Ausstellung im Stadtmuseum entdeckt, die ich unbedingt sehen wollte. „Augusta Lundin – das erste Modehaus in Schweden“. Alles noch Handarbeit, nur die langen Nähte an den Röcken wurden damals mit Maschine genäht. Zu Höchstzeiten hatte sie 130 Näherinnen, die für die damaligen Verhältnisse (Jahrhundertwende) wirklich gute Arbeitsbedingungen vorfanden (10h-Tage, Mittagspause, Krankenversicherung). Die Kundinnen stammten aus den oberen Zehntausend, was in Schweden wohl eher die oberen Fünfhundert waren. Aber wer Downton Abbey gesehen hat, die weiß, dass sich diese Damen ja ständig umzogen. 5 mal am Tag! (Und ich ziehe tagelang das selbe an…)

Es ist toll, solche Kleider mal in echt zu sehen. Was mich vor allem an den Schuhen verwunderte: Sie sahen nicht so viel kürzer aus als meine Füße, aber nur halb so breit. Hm …

 

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