NORDSCHEIN

Weiße weite Welt

Im April ergibt sich ganz plötzlich etwas, weswegen ich eigentlich hier bin. Ich wäre zur Not auch alleine losgezogen, aber zu zweit und mit Hund ist das Ganze doch viel schöner.

Nicole, Ronja (Hund) und ich starten zu einer Skitour in zwischen Riskgränsen und Abisko. Die Wetterkapriolen und fiesen Temperaturen der letzten Tage haben sich gelegt, die Prognose sagt durchmischtes Wetter vorher. Aber solange es nicht regnet, ist doch alles gut. Nachdem der Zug nach Norden wieder mal Verspätung hat, ist er plötzlich schneller als gedacht in Katterjåkk und der Ausstieg mit dem Gepäck (Pulka, Rucksäcke, Skier und Hund) foglich etwas überstürzt. Meine Blasen-und-Druckstellen-Vorsorge erledige ich draußen. Und dann geht es endlich los, bei strahlendem Sonnenschein. Ronja ist ein echter Winterhund, aber Tiefschnee ist für sie extrem anstrengend, weshalb wir immer den Scooterspuren folgen. Und die verlaufen am ersten Nachmittag immer an der norwegischen Grenze entlang. Am Abend überholt uns der letzte Scooter, und dann ist endlich Ruhe.

In der Nähe dieser Hütte bauen wir unser Zelt auf. Die Hütte ist nur eine Notunterkunft und nicht für Übernachtungen gedacht, trotzdem übernachten dort drei Tourengeher (ganz schön eng!). Aber unsere Behausung wird auch nicht geräumiger. Mittlerweile ist es windig geworden und schneit. Nicole kümmert sich um das Zelt, ich kümmere mich darum, Wasser zu organisieren, das wird gekocht und in einer Essensthermoskanne über unser Futter, was wir zu Hause getrocknet haben, geschüttet. Ein paar Minuten warten, schon ist das Abendessen fertig. Hinterher abspülen braucht man nicht. (Lerne viele brauchbare Tips von Nicole). Das Gesicht wasche ich mir mit dem Schnee, der in meinen Händen schmilzt, und ab in den doppelten Schlafsack.

Am nächsten Morgen geht es weiter Richtung Unna Allakas Hütte. Von der Wetterprognose merken wir nicht allzuviel. Die Sonne scheint und es ist einfach nur fantastisch.

Wer die Pulka zieht, kriegt Ronja vorgespannt. Das ist bergauf tatsächlich eine Unterstützung. Bergab auf diesen schmalen Tourenskiern allerdings eine echte Herausforderung. Zumal meine Skier ja auch noch Stahlkanten haben, mit denen möchte man einem Hund nicht in die Beine fahren. Also lasse ich Ronja sausen. Die meiste Zeit zieht aber doch Nicole, muss ich ehrlich zugeben.

Zur Mittagspause stelle ich fest, dass meine asiatischen Fertignudeln verdammt stark gewürzt sind. Ronja bettelt um Polarbrot, ist aber auch mit einem Eckchen Sauerteigbrot zufrieden.

 

Es geht bergauf  und wieder bergauf, und wir kommen den fantastischen Bergen am Horizont immer näher. Sie sehen aus, wie aus einem Märchen.

Wenn man so viel bergauf gegangen ist, muss man irgendwann auch alles wieder runter. Ein einzelner Schneeschuhgänger aus Italien ist unsere einzige Begegnung an diesem Tag. Am Horizont kündigt sich der Sturm an. Es wäre also gut, den nächsten Lagerplatz noch vorher zu erreichen und das Zelt aufzubauen.

In Unna Allakas bauen wir das Zelt auf, wirklich Lee finden wir nirgends. Dann bereitet Nicole das Innenzelt zum Kochen vor, während ich runter zum Brunnen fahre und Wasser hole. Ronja läuft mich zu suchen, offensichtlich bin ich schon Teil ihrer Herde.

Wenn zwei Leute in einem Zelt liegen, kann es ja nicht mehr so leicht wegfliegen. Auch am nächsten Morgen schneit es noch. Die Sicht reicht immer noch einige Wegmarkierungen weiter, also nicht der Rede wert. Außerdem kommt er von Süden, und wir gehen jetzt wieder nach Norden. Unser nächstes Ziel ist die Abiskojaur-Hütte.

 

Mittags ist es schon wieder schönes Wetter. Wir kriechen in einen Windsack und machen Pause und, bis auf dass ich total schief sitze, ist es in diesem Sack sehr gemütlich.

Meine neuen Tourenskier überzeugen mich nicht wirklich. Sie sind ja kaum breiter als meine Langlaufskier, dafür aber weniger wendig. Beim Laufen ist die Bindung zu steif, beim Fahren zu wenig stabil. Weshalb man nicht bei der Kabelzugbindung geblieben ist? Ich komme mir vor, als wäre ich noch nie auf Skiern gestanden.

Den ganzen Tag habe ich ein Mantra von Deva Premal im Ohr, lasse die Landschaft durch mich ziehen und würde – Skier hin, Stiefel her – mit niemandem tauschen wollen. In dieser Weite kann ich mich völlig auflösen.

Die Hütte am Abiskojaur liegt am Ende des Nationalparks. Im Nationalpark ist wildes Zelten verboten, und der Zeltpreis auf dem Hüttengelände ist saftig. Aber dafür nutzen wir die Serviceküche, um unser Wasser zu kochen.

Ich will doch endlich mal Nordlichter photographieren und – ja – überhaupt mal wieder welche sehen. In Luleå sind sie maximal ganz schwach erkennbar. Aber dafür so lange aufzubleiben, oder schlimmer noch, mitten in der Nacht aus dem warmen Schlafsack kriechen? Nö. Ist ja auch gar nicht gesagt, dass da ein Nordlicht vorbeikommt …

Wir legen noch einen Tag ein, lassen das Zelt stehen und ziehen hinauf Richtung Allejaur. Zwei Gruppen mit Guide sind auch dorthin unterwegs, und so überholen wir uns gegenseitig.

Die Aussicht wird nur immer grandioser. Wir haben sie die ganze Mittagspause vor uns. In der Sonne wird es sogar warm. Und erst als es sich plötzlich zuzieht, treten wir die Abfahrt an.

Als wir das Tal fast erreicht haben, ist es schon wieder sonnig, und wir legen – sehr zu Ronjas Verdruß – ein kleines Nachmittagspäuschen ein.

Am Abend lasse ich wieder mal das Warten auf eventuelle Nordlichter sein. Ich habe eh kein so lichtstarkes Objektiv und auch kein Stativ. Und in dieser Nacht, brrr, krieche ich definitiv nicht aus meinen Schlafsäcken!

Endetappe. Mit der Bergkette nördlich des Torneträsks vor Augen begeben wir uns Richtung Norden. Ich könnte gerne noch ein paar Tage dranhängen. Einmal waschen zwischendurch vielleicht.

Nicole und Ronja auf dem AbiskojaurDoch Abisko rückt immer näher, und plötzlich gleite ich auf Pfaden, auf denen ich zuvor schon unterwegs war.

Da im Norden die Berge allerdings rufen, ob ich nicht endlich kommen will. Und sehen sie nicht so aus, wie die Berge aus dem Buch „Jepkes Traum“, auf denen die Wolkenfee sitzt und Wolken in den Himmel raucht?

 

 

 

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